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Auswandern nach Mallorca – So schnell kann’s gehen

Jetzt musste ich „nur“ noch zusehen, kurzfristig Urlaub, einen Flug nach Palma sowie zwei oder drei Hotelübernachtungen in Cala Ratjada zu bekommen.

Es war im April 2017 als ich völlig genervt in meinem Büro saß und aus dem Fenster in den Regen schaute. Draußen stand mein fast frisch gekauftes Auto auf dem Parkplatz, ein roter Seat Mii. Nach fast 12 Jahren ohne eigenes Auto, war ich stolz auf meinen kleinen, spanischen Flitzer. Ich schaute rüber zu meiner damaligen Kollegin und sagte:

„Ich habe echt keinen Bock mehr. Ich packe einfach alle meine Sachen in mein Auto und fahre nach Spanien. Dorthin, wo meine Automarke herkommt.“

Den Satz hatte ich zwar nur so vor mir daher gesagt, aber irgendwie machte dieser Satz etwas mit mir. Die Idee erschien mir plötzlich ziemlich genial. Also fühlte ich mich hinein: Ich packe das Nötigste in meinen Seat Mii und breche mit meinem Hund Baci nach Spanien auf…welch schöne Vorstellung!

Lieber etwas riskieren als ewig bereuen, sich nicht getraut zu haben.

Ein paar Tage später hatten wir in der Firma unser monatliches Mitarbeiter-Meeting. Eine meiner Kolleginnen verkündete dort, dass sie die Firma verlassen wird, um nach Norwegen auszuwandern. Sie sagte: „Wenn nicht jetzt, wann dann?“ Bäähmm! Getroffen! Mitten in mein Herz und mein Hirn. Sie hatte recht! Wenn nicht jetzt, wann dann? Ich wollte immer nach Spanien. Also, wenn nicht jetzt, wann dann?

Und schon kam der Stein ins Rollen…

Ich schrieb direkt abends ein Stellengesuch in der Jobbörse vom Inselradio Mallorca. Kurz darauf bekam ich auch gleich zwei Angebote. Ein Immobilienbüro, wo der schriftliche Kontakt schon mehr als unsympathisch ablief, so dass ich den Laden schnell ad acta legte und ein Event-Veranstalter, mit deren Chefin ich ein supernettes Telefonat führte. 

Den Job beim Event-Veranstalter in Santa Ponsa hätte ich sogar haben können, ich sagte dann aber doch aus zwei Gründen ab: Ich hätte nur 6 Wochen Zeit gehabt, alle Zelte in Deutschland abzubrechen und – für mich weitaus schlimmer – hin und wieder Telefonservice machen müssen. Ein absolutes No-Go für mich! Aber ich musste nicht lange warten, denn es kam flott das nächste Job-Angebot. Ein Immobilienbüro in Cala Ratjada suchte einen neuen Mitarbeiter für das Marketing. Na, das passt doch! Nach einem längeren Telefonat mit der Inhaberin sagte ich „einfach mal so“ einem Vorstellungsgespräch auf der Insel zu.

Jetzt musste ich „nur“ noch zusehen, mir kurzfristig Urlaub, einen Flug nach Palma sowie zwei oder drei Hotelübernachtung in Cala Ratjada zu organisieren.

Obwohl es bereits Ende Juni war, und ich am 13. Juli das Vorstellungsgespräch in Cala Ratjada hatte, fand ich trotz absoluter Hochsaison einen Flug und ein bezahlbares Hotel am Hafen in Cala Ratjada. Na, wer sagt’s denn? Spaßeshalber schaute ich auch schon mal nach Wohnungen auf Immopool und wurde gleich fündig. Eine 70 m² Wohnung im 2. Stock, nett möbliert, mit Balkon, ruhig gelegen, nur 400 Meter bis zum Hafen und das beste und Wichtigste: Hundehaltung erlaubt! Ein Joker! Aber hey! Erst einmal zum Vorstellungsgespräch. 

ETWAS ZU WAGEN BEDEUTET, VORÜBERGEHEND DEN FESTEN HALT ZU VERLIEREN. NICHTS ZU WAGEN, BEDEUTET SICH SELBST ZU VERLIEREN.

SØREN KIERKEGAARD

Der Tag der Anreise nach Cala Ratjada war sehr stressig. Ich hatte schon bei der Ankunft um 21:30 Uhr am Flughafen in Palma riesigen Hunger. Nach der Landung bin ich aber direkt zum Shuttle-Bus geeilt. Ich hatte große Sorge, dass er ohne mich abfährt. Und was war? Ganze zwei Stunden wartete der Bus, bis die anderen gebuchten Reisenden eingetroffen waren.

Gegen 00:20 Uhr war ich erst an meinem Hostal angekommen. Ich checkte kurz ein, brachte mein Gepäck aufs Zimmer und schleppte mich völlig übermüdet und hungrig durch die Straßen. Cala Ratjada kannte ich bis dato nicht und fand es auf Anhieb auch nicht besonders anheimelnd. Mich machten diese vielen angeschickerten Touristen etwas kirre. Als ich dann endlich einen geöffneten Pizzastand entdeckte und ein kleines Stück Pizza gegessen hatte, beruhigten sich meine angekratzten Nerven ein wenig. Ich schlenderte noch kurz zum Hafen, wo ein Fest stattfand und lauschte der spanischen Musik.

Die ersten Zweifel kamen auf

Kurz darauf wieder im Hostal wollte ich nur noch ins Bett und schlafen. Als ich das Zimmer betrat, war es entsetzlich heiß. Ich suchte den Schalter für die Klimaanlage – vergebens! Denn eine Klimaanlage gab es nicht. Es stand nur ein Tischventilator zur Verfügung, der natürlich nicht viel brachte außer viel Lärm. Apropos „Lärm“: Beim Hafenfest wechselte die schöne spanische Musik zu fiesen Ballermann-Hits. Das war dann doch zu viel für meine Nerven, und ich wurde weinerlich: „Was mache ich hier bloß? Bin ich völlig bescheuert? Ich muss hier weg! Hier bleibe ich nicht. Cala Ratjada ist nicht meins…“

Hüte Dich vor Sturm und Wind und Deutsche, die im Ausland sind…

Am nächsten Morgen sah die Welt aber schon wieder ganz anders aus. Ich saß glückselig am Hafen, knabberte mein Baguette mit Marmelade und trank einen Café con leche. Doch, ich konnte mir durchaus vorstellen, hier zu leben.

Nach dem kleinen Frühstück spazierte ich ein wenig in Richtung Cala Gat. Eine sehr deutsch aussehende Frau, spazierte dort ebenfalls mit ihrem Hund. „Perfekt!“, dachte ich. „Die frage ich jetzt, wie es sich hier so lebt. Vor allem mit Hund.“ Denn das bereitete mir nach wie vor am meisten Sorge. Werde ich mich mit meinem Hund so frei bewegen können wie in Deutschland?

Die erste Kontaktaufnahme zu einer Deutschen

Ich sprach die Frau freundlich an: „Entschuldigen Sie, Sie wohnen hier, stimmt’s? Mich interessiert, wie es sich hier so lebt.“ Sie keifte mich an: „Wie es hier so ist? Hart!!“ Ich war etwas erschrocken, wie barsch die Dame reagierte, hakte aber dennoch nach: „Und mit Hund?“ Sie ging weiter, drehte sich kurz um und schnauzte: „Noch härter!“ Danke, für das nette Gespräch… Hätte die Dame wenigstens verraten, was sie unter „hart“ versteht und warum es „hart“ ist, hätte sie mir vielleicht weiter helfen können. Nun denn. Mein Gesprächstermin rückte näher, und ich musste noch zum Hostal, um mich umzuziehen. Es blieb also keine Zeit, um weitere „nette“ Erst-Bekanntschaften in Cala Ratjada zu machen. 

Unentwegte lassen sich nicht vom Weg abbringen.

Walter Ludin

Den Weg vom Hotel zum Immobilienbüro schaute ich mir vorher mehrfach auf Google Maps an. 10 Minuten Fußweg waren es nur. Im Prinzip lediglich raus aus der Hoteltür, rechts zwei Straßen hoch, links abbiegen und immer geradeaus. Ich zog mir meine Kleidung fürs Gespräch an. Eine schwarze lange Hose (draußen waren es 36 Grad!) mit weißer Kurzarmbluse. Ich marschierte los und plötzlich verließ mich das mobile Netz. Google Maps ging gar nicht mehr. Ich irrte etwas verzweifelt durch die Gassen und fragte einen Passanten nach dem nächsten, ob sie meine Ziel-Straße kennen. Keiner kannte sie, und die Zeit rannte davon. Nur noch 8 Minuten bis zum Vorstellungsgespräch, und ich wusste überhaupt nicht mehr, wo ich war.

Wenn Du denkst, das wird nichts mehr, kommt irgendwo ein Engel her…

Dann tauchte aus einem Hauseingang eine Spanierin auf. Ich kramte mein altes Schulspanisch aus, und es reichte tatsächlich, um mich mit ihr auszutauschen. Sie sagte mir, dass das Büro fußläufig weit weg sei, sie mich aber gerne mit ihrem Auto hinfährt. Und das tat sie! Dank ihr legte ich eine echte Punktlandung hin und ging extrem gut gelaunt ins Vorstellungsgespräch. Nach über eine Stunde, in der ich mich prima mit der Chefin unterhielt, bekam ich die Zusage. Bis zum nächsten Tag blieb mir nun Zeit, mich zu entscheiden. Und das fiel mir nicht sonderlich leicht. Denn Cala Ratjada wirkte auf mich wie eine typische Touristenhochburg – was sie in den Sommermonaten ja nun mal leider auch ist.

Ich konnte mir nicht vorstellen, jeden Abend zwischen grölenden, besoffenen Touristen spazieren gehen zu müssen.

Und vor allem auch nicht auf der Insel am Hintern der Welt zu wohnen. Ich wollte doch so gerne nach Palma! Und das liegt genau am anderen Ende der Insel.

Ich ging zum Nachdenken erst einmal zum Strand Cala Agulla. Ein kühlendes Bad im Meer kühlt vielleicht auch meinen Kopf, um die richtige Entscheidung treffen zu können. Direkt am Strand lagen aber nur deutsche Touristen. Kein einziger spanischer Landsmann/frau weit und breit. „Näääh..hier will ich nicht leben!“, schoss es mir durch den Kopf. Ich ging ins Meer und schwamm ein wenig hinaus. Beim Blick auf die Berge, auf das blaue Meer und beim Wegdenken der Touristen überlegte ich: „Was ist die Alternative zu der Chance, die du jetzt bekommst? Ein Job, der dich nicht erfüllt, ständiges Regenwetter,…“ Schlagartig war mir klar: 

„Ich mach’s und ziehe es durch!“

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