Das unerwartete Experiment: Eine Begegnung, die zum Nachdenken anregt
Manchmal wirft das Leben uns Situationen vor die Füße, die so überraschend sind, dass wir uns fragen, ob wir in einem surrealen Film gelandet sind.
Gerade vorhin erlebte ich eine solche Situation während meiner abendlichen Runde mit meinem durchgeknallten Kritikos Lagonikos Mix. Ein Mann mit einem Rollator tauchte in der Ferne auf, stand mit dem Rücken zu uns und hob seine Arme gen Himmel, als wollte er den Sternen eine Botschaft senden. Ein merkwürdiger Anblick, der sofort die Gedankenkarussells in meinem Kopf in Gang setzte: „Ob er wohl betrunken ist? Au man… dann werde ich ja gleich bestimmt blöde angelabert. Sicher kommt ein Spruch wegen Nachos Maulkorb…“ Ich versuchte, meine Gedanken positiv umzulenken: „Nein, kann ja auch lediglich ein Patient aus dem Krankenhaus sein, der eine Abendrunde macht und sich lediglich ein wenig zum Himmel gestreckt hat…“
Schließlich kreuzten sich unsere Wege, und ich schielte zu meinem Hund, um die Situation zu entspannen. Doch es half nichts – der Mann sprach mich an, mit einem osteuropäischen Akzent: „Ich habe eine Frage…“ Mein Hirn ratterte erneut los: „Betrunken scheint er nicht zu sein. Aber was kommt jetzt wohl?“ Er sagte: „Ich mache ein Experiment. Ich bin vorne um die Ecke und wollte fragen wegen Geld…“ „Ah, alles klar!“, dachte ich und sagte zu ihm (ehrlich), dass ich kein Geld bei mir habe. Ich blickte ihm in die freundlichen Augen, und es tat mir in dem Moment wirklich leid, dass ich keinen Cent dabei hatte. „Nein, nein. Für Eis essen oder so…“ Ich fing noch einmal an zu erklären, dass ich nie Geld dabei habe, wenn ich mit dem Hund Gassi gehe, doch er ließ mich gar nicht richtig ausreden. zog etwas aus seiner Hemdtaschen und drückte mir plötzlich 10 Euro in die Hand. „Hier. Bitte, nehmen Sie. Ich will Ihnen das schenken. Ist ein Experiment. Kaufen Sie ein Eis davon. Oder für den Hund! Bitte, nehmen Sie für Ihren Hund.“
Das Buch im Bild kann ich übrigens wärmstens empfehlen. Das Wesentliche ist einfach: Antworten auf Fragen des Lebens von Jiddu Krishnamurti*. Krisnamurti war übrigens mit dem Autor Aldous Huxley (Brave New World – Schöne Neue Welt*) befreundet. Sie teilten Interesse an spirituellen und philosophischen Themen. Krishnamurti’s Ideen über Bewusstsein und Freiheit beeinflussten auch Huxley’s Denken und Schreiben.
Ich war völlig überfordert. Einerseits fühlte ich tiefe Dankbarkeit und Freude, dass dieser Fremde mir so großzügig begegnete. Andererseits nagte an mir die Sorge, ob es ihm finanziell wirklich gut ging. Doch als ich in seine Augen sah, spürte ich seine aufrichtige Absicht, mir etwas Gutes zu tun. Also nahm ich das Geld an und bedankte mich herzlich. Dennoch konnte ich nicht umhin, ihm noch einmal zu versichern: „Sind Sie sich wirklich sicher?“ Ein Hauch von Traurigkeit lag in seinem Blick, als er antwortete: „Ja, bitte. Ich gehe jetzt auch weiter.“ Und so drehte er sich von mir weg, ohne sich noch einmal umzublicken, während er seinen Weg fortsetzte.
Während ich weiterging und das Geld in meiner Hand hielt, wartete ich auf ein Kamerateam, das aus dem Parkhaus springen würde: „Schönen guten Abend. XYZ TV. Sie haben vorhin 10 Euro von einem fremden Mann entgegengenommen. Was haben Sie dabei gedacht?“ Oder auf Komplizen, die mich überfallen sollten. Ob der Mann schwer krank ist und deshalb sein Geld verschenkt? Warum konnte ich nicht einfach dankbar sein? Warum war dieser Mann so großzügig? Was war sein Experiment?
Sein Experiment werde ich wohl nie erfahren, aber für mich war es ein Lehrstück. In letzter Zeit beschäftige ich mich viel damit, Menschen und Situationen nicht vorschnell zu beurteilen. Auch wenn ich manchmal in alte Muster zurückfalle, zeigt mir dieser Vorfall, dass ich auf dem richtigen Weg bin.
Warum sollte man Situationen und Menschen vorurteilsfrei begegnen?
Nun, Vorverurteilung kann zu vielen Problemen führen, sowohl in zwischenmenschlichen Beziehungen als auch in der eigenen geistigen Entwicklung. Spirituell betrachtet gibt es mehrere Gründe, warum man sich davor hüten sollte:
- Karma und Resonanz: Viele spirituelle Lehren betonen das Konzept von Karma und Resonanz. Das bedeutet, dass unsere Gedanken, Worte und Taten energetische Schwingungen erzeugen, die sich auf uns selbst und unsere Umgebung auswirken. Wenn wir jemanden vorverurteilen, senden wir negative Energie aus, die auf uns zurückkommen kann.
- Einheit und Verbundenheit: Spirituelle Weisheit lehrt oft die Idee der Einheit und Verbundenheit aller Dinge. Wenn wir jemanden vorverurteilen, ignorieren wir diese Einheit und trennen uns von anderen Menschen. Dies führt zu einem Gefühl der Isolation und Trennung von der universellen Quelle.
- Lernen und Wachstum: Jeder Mensch ist auf seiner eigenen spirituellen Reise und hat seine eigenen Lektionen zu lernen. Indem wir andere vorverurteilen, nehmen wir ihnen die Möglichkeit, zu wachsen und sich zu entwickeln. Stattdessen sollten wir Mitgefühl und Verständnis zeigen, damit sie ihre Lektionen lernen können.
- Selbsterkenntnis: Indem wir andere vorverurteilen, verpassen wir oft die Gelegenheit, über uns selbst zu lernen. Unsere Vorurteile spiegeln oft unsere eigenen inneren Konflikte und ungelösten Probleme wider. Wenn wir uns selbst und unsere Reaktionen auf andere Menschen beobachten, können wir tiefe Einblicke in unsere eigene Psyche gewinnen.
Also, wie schafft man es, Vorverurteilungen zu vermeiden? Zum Beispiel indem man Achtsamkeit kultiviert und sich der eigenen Gedanken und Emotionen bewusst wird. Das bedeutet, den Impuls zur Vorverurteilung zu erkennen und bewusst eine wohlwollendere und mitfühlendere Perspektive einzunehmen.
Dabei spielt der Beobachter in der Achtsamkeitspraxis eine zentrale Rolle. Der Beobachter ist das Bewusstsein oder die Präsenz, die unsere Gedanken, Gefühle und Sinneserfahrungen wahrnimmt, ohne sich in sie zu vertiefen oder von ihnen mitgerissen zu werden. Der Beobachter ist gewissermaßen das Zentrum der Achtsamkeit, das es uns ermöglicht, uns selbst und unsere Erfahrungen objektiv zu betrachten. Er ist nicht identisch mit den Gedanken oder Emotionen, die auftauchen, sondern steht darüber und betrachtet sie mit einer Art neutraler und nicht wertender Haltung.
Indem wir uns des Beobachters bewusst sind, können wir Abstand zu unseren Gedanken und Gefühlen gewinnen. Das ermöglicht es uns, nicht automatisch auf sie zu reagieren, sondern bewusste Entscheidungen darüber zu treffen, wie wir darauf reagieren wollen. Der Beobachter hilft uns auch dabei, uns selbst besser kennenzulernen, indem er uns ermöglicht, unsere inneren Prozesse genauer zu beobachten und zu verstehen.
Die 10 Euro sind übrigens in die (Tierarzt-)Spardose meiner Fellnasen gewandert.
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